Veröffentlichungen

 Dörte Michaelis, Keramikerin 
Neue Keramik Heft 4 2010

Jemand fragte mich mal ob ich ein mud- potter bin oder ein fire- potter,… Die Antwort ist, weder noch, schon eher sowohl als auch, denn da fehlt noch das Wichtigste. Die Keramik ist für mich wie ein großer, bunter Garten, ein Platz wo ich ganz verschiedene Felder beackern kann, ausprobieren, verwerfen, ordnen und immer wieder neu konstruieren. Die Keramik ist mein Lehrmeister. Ich spiele mit der Vielfalt der Möglichkeiten, so wie ich in mich schaue, oder nach dem Wetter und in die realen und virtuellen Briefkästen um zu entscheiden, was als nächstes zu tun ist, was wachsen möchte, ob ich sehr geradlinig und logisch arbeiten werde, oder spielerisch probieren kann. Ich lasse das jeweilige Thema bestimmen, ob es ein grafischer Tag wird, ein malerischer oder eher ein plastischer, denn das alles ist die Keramik potentiell in einem Maße wie keine der anderen Künste.

Der imaginärer Garten, wo meine Keramiken gedeihen: Da plätschern Brunnen in der Mitte, drum herum stehen allerlei Figuren, Klinkerskulpturen von Mensch und Tier, Bänke und Vogeltränken. Verschieden gestaltete Bodenmosaike heben die Beete mit den jeweiligen Gewächsen hervor. Einige sind ganzen Familien von Kannenobjekten gewidmet oder auch Leuchtern, Schalen und Vasen in vielen Größen und Formen. Der Platz für die braven Töpfe und Schüsseln liegt eher ein wenig brach. Es gibt eine Ecke wo es nach Tee duftet, zu trinken aus verschiedensten Services, streng geformt oder bizarr, gleich daneben ein Schachspiel. Und dann ist da noch die verwunschene Ecke mit den Zauberblumen, Feen und anderen Fabelwesen. Im Frühling kommen exotische blaue Zugvögel aus Ägypten, die zum Überwintern die südliche Sonne brauchen. Nicht ganz so weit südlich, in Thüringer Porzellanwerken sind die kapriziösen Porzellane entstanden, die eine besonderes Fleckchen bevölkern. Und Töne gibt es, tiefe Töne aus meinen keramischen Didgeridoos. Eingerahmt wird das Ganze von Wänden aus farbiger Putzkeramik und von großen Klinkerreliefs. Alles, ist bunt wie die Blüten im Frühling oder das Laub im Herbst.

Nun, ganz so idyllisch, wie es jetzt klingen mag, ist es freilich nicht. Jeder weiß, wie viel Zeit allein die Vorbereitung der Arbeit mit Keramik braucht, am Computer und in der Werkstatt. Aber vielleicht erklärt das Bild von Garten mit einem Augenzwinkern, warum ich nicht in eine der keramischen Schubkästen passe. Wenn ich mir treu sein will, muß es spannend bleiben und Spaß machen und ich liebe es meine Arbeit immer wieder neu zu erfinden.

Ich komme aus einer naturverbundenen Musikerfamilie, wo man schon früh viel Verständnis für meinen Wunsch nach Ausdruck in Holz, Ton oder auf Papier hatte. Als ich 15 Jahre war zeigte mir Prof. Homberg von der Uni Greifswald an Hand meiner ersten Kaltnadelradierungen warum er meinte, dass ich Kunst studieren sollte, was damals schon lange mein starker Wunsch war. Fünf Jahre später, nach Abitur, absolvierter Töpferlehre und Gesellenjahr traf ich auf die wunderbare Künstlerin und Lehrerin Gertraud Möhwald. Neben den anderen Lehrern der Burg Giebichenstein hat sie mich am meisten beeindruckt. Sie wies jedem von uns Studenten behutsam, inspirierend, klar und gänzlich uneitel seinen ganz spezifischen jeweilig nächsten Schritt.
Nach dem sehr anregenden, fundierten und weitestgehend unreglementiertem Keramikstudium, das ich 1983 mit dem Diplom abschloss, gründete ich in Mecklenburg eine eigene Werkstatt. Hier lebe und arbeite ich seitdem als freie Künstlerin.
Die ersten 6 Jahre als Keramikerin nutzte ich vor allem um einen möglichst weiten Erfahrungsschatz in verschiedenen auch industriellen Techniken zu sammeln. Ich fand große Befriedigung darin, das Graue der DDR ein wenig farbiger zu machen. Die Frage westdeutscher Kollegen …“und kannst Du von Deiner Keramik auch leben?“ habe ich erst später verstanden. Kleine Handicaps der Umstände wurden zum kreativen Anlaß. Neben zahlreichen Ausstellungbeteiligungen im In-und Ausland konnte ich regelmäßig Kunst für den öffentlichen Raum ausführen. Dabei bilden die freien und architekurbezogene Arbeiten aus Klinker, wie Brunnengestaltungen, Skulpturen, Gedenkstätten, Boden- und Wandgestaltungen die wohl wichtigste Werkgruppe. Bei entsprechend großen Formaten half mein Prinzip „Bausteine“ flexibel und angemessen zu reagieren.
In meinen Einzellausstellungen kombinierte ich gerne meine keramischen Plastiken und Objekte mit Malerei oder Fotos. Interessante Impulse für meine Arbeit konnte ich in verschiedenen Symposien mit den Schwerpunkten, Porzellan, Keramik, Aquarell, Papier und Beton finden.

Zunehmend wichtig wird mir das Weitergeben meiner Erfahrungen. Außer als Gastdozentin an Fach und Hochschulen, arbeitete im Rahmen des Projektes „Künstler für Schüler“ und als künstlerische Leiterin in internationalen workcamps.
Etwa 10 Jahre habe ich Keramikkurse im Rahmen meiner Reisen auf den Sinai (siehe Artikel Ägyptisch Blau, Neue Keramik Heft 2, 2006).gegeben.Das Spannungsfeld der Kulturen und den Spagat zwischen der Bergwüste und den Korallenriffen des Sinai sowie Mecklenburgs Ostseelandschaft habe ich immer sehr genossen.
Nach nunmehr 41 Jahren Keramik gibt es jede Menge Arbeiten in meiner Hofgalerie in Vogelsang; einige Arbeiten im öffentlichen Raum, etliche in Museen und privaten Sammlungen.…und ich bin total neugierig darauf, wie es wohl weitergeht

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       Kahla Kreativ 2. Internationaler Porzellanworkshop 1995

      Da hat mich das Porzellan ein zweites Mal für 4 Wochen vollständig gefangenge nommen. Und zwar nicht nur dieses kapriziöse Material,
      sondern auch die Menschen, die damit umgehen und die Fabrik selbst: die Wände mit den malerischen Arbeitsspuren der Jahre (kurz   
      vo
der Renovierung) und der Abriß des letzten Tunnelofens. Das alles hat mich zu fotografieren gereizt. Aus einem Foto habe ich ein
      Ab
ziehbild entwickelt als Dekor in Weiß, Grau und Schwarz. Verwendet habe ich es allein bzw. mit gespritztem Fond und einer
      Rese
rvagetechnik. Ich habe auch Glanz- und Poliergold nebeneinander gesetzt und mit Gold auf mit Kobaltsalzen gefärbtem   
      
Biskuitporzellan gemalt. Aber das war erst ganz am Ende des Symposiums. Am Anfang stand die ungeliebte Arbeit mit dem Gips. Ich habe
      nach den Erfah
rungen des ersten Symposiums mehr mit Gipsformen gearbeitet, als ganz frei zu montieren. Eigentlich wollte ich nur ein
      Schachspiel machen und eine Sammeltasse. Daraus ist dann ein ganzes Service geworden und Väschen, Schaukelschalen un
      
Dreifußschalen aus der variierten Parabelform des Samovars. Es war eine intensive Zeit mit angenehmem Klima zwischen den
      Symposiumsteilnehmern und allen, die geholfen haben und Spaß hat's gemacht.
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"Ägyptisch Blau" erleben Ferien auf dem Sinai mit Dörte Michaelis
Neue Keramik Heft 2, 2006

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„Gerade sind wir in Sharm el Sheikh  gelandet. Der Mann auf dem Flughafen winkt das Flugzeug in die Halteposition. Ich habe noch die Bilder vom Meer vor Augen: das Beige und die zarten Grüntöne der Korallenbänke und das intensive Türkis, das sich am Horizont zu tiefem Pariserblau verdichtet. Nun freue ich mich auf meine Zeit auf dem Sinai.

Das Stichwort „Delphinschwimmen“ lockte mich vor fünf Jahren in das Beduinendorf El Muzeina auf den Sinai.. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartet und war überwältigt. Die herzliche Gastfreundschaft dieser freundlichen, schönen und fröhlichen Menschen dort ließen mich fast vergessen, dass ich als Tourist kam. Das Rote Meer hat mich sanft und kühl aufgenommen und mich seine Schätze erleben lassen. Die zauberhaften Korallenriffe mit all seinen Bewohnern und die Delphine.... ich durfte den hautnahen Kontakt mit Ihnen erleben, ihr  Kreisen im Wasser vor Abdallas Haus zum Sonnenaufgang, ihr gutmütiges Dulden der zahlreichen, neugierigen Besucher und ihre übermütige Freude beim Spiel mit den Beduinen.

Tief in der Seele berührt hat mich auch die stille, archaische,  bizarre Schönheit der Bergwüste. 

Ich lernte, mich auf den langsamen Rhythmus einzuschwingen und dachte viel darüber nach, was eigentlich wirklich wichtig ist. Und ich kam wieder.

Inzwischen gibt es die Delphine dort nicht mehr. Einiges hat sich verändert. Vieles hat sich entwickelt. Ich fahre jetzt mehrmals im Jahr auf den Sinai, lerne, genieße und gebe Kurse. Geblieben ist das Wesentliche: offene, freundliche Leute, eine tiefe Freundschaft zu Misho  und unsere intensive Zusammenarbeit in dieser bezaubernden Landschaft.“ D.M.


Während sich die Experten streiten, welcher nun der richtige wissenschaftliche Name für das Ägyptisch blau ist, interessiert sich die Keramikerin Dörte Michaelis eher für das leuchtende Blau des Roten Meeres. Aber auch das ist eigentlich der Golf von Aquaba  und nur dann Rot, wenn der Sonneuntergang eine ganz bestimmte Abendstimmung zaubert. 

Dort in Ägypten, auf dem Sinai, nördlich von Nuweiba, in Misho`s Camp, in der Werkstatt am Strand, steht ihr kleiner Gasofen. Seit einiger Zeit bietet sie Kurse ganz besonderer Art an:

"Ägyptisch Blau“ *, bekannt schon aus  Pharaonischer Zeit, durch Kasseler Keramiker

neu erforscht. ( siehe auch die Veröffentlichungen „Türkis und Azur“ von u.a. Ralf Busz und

Neue Keramik Nr:...) Ursprünglich hier auf dem Sinai als ein Nebenprodukt der Kupferverhüttung entdeckt, entwickelte sich die Kieselkeramik mit ihren wunderbaren Blautönen zu einer eigenen keramischen Ausdrucksform an die sie die Kursteilnehmer in ersten Schritten heranführt.

Dörte Michaelis fährt mit Ihren Gästen in die Wüste. Die dort gesammelten und zerstoßenen Quarzkiesel bilden das Grundmaterial, aus dem dann Figuren,  Amulette oder Schmuckgegenstände geformt werden. Unter Anleitung der Künstlerin entstehen in einem behutsamen Prozess persönliche Motive, mit Hilfe kleiner Zeichnungen, oder Scharrbildern am Strand oder direkt im Material. Die an sich völlig unplastische Masse wird mit Bentonit und Kleister etwas formbarer. Die getrockneten Arbeiten werden in einer Kapsel mit Quarz, Soda und Kupfer eingebettet gebrannt. Mit dieser, Zementationsverfahren genannten Technik, hat sie die besten Erfolge.

Eine zweite Technik ist das Effloreszensverfahren bei dem das Salz und das Kupfer schon Bestandteil der Grundmasse sind. Da hat man allerdings nur eine sehr kurze Verarbeitungszeit, weil die künftige Glasur in Form von Salzkristallen beim Trocknen kontinuierlich nach außen wandert. Dieser Pelz darf nicht beschädigt werden. Diese Stücke leuchteten zwar am ersten Tag nach dem Brand, bekamen dann aber starke Salzausblühungen, die erst nach einem zweiten Brand einem stabilen Blau wichen.

Ihren Wunsch, ihren Kursteilnehmern Inspiration und archaische Erfahrungen in der direkten schöpferischen Auseinandersetzung mit der faszinierenden Wüstenlandschaft zu ermöglichen, realisiert sie auch auf anderen Wegen: „ ...mit einer Zeitung in die Wüste fahren und nach drei Tagen mit im Papierofen gebrannter Keramik wiederkommen...“ ist ihr neuestes Projekt.

Ein Ausflug mit dem Jeep führt in ein Wadi der Bergwüste, in dem es einen besonders guten Ton und viel Schwemmholz von der letzten Flut gibt. Aus diesem Ton können Figuren oder Schalen geformt werden, die dann in der Sonne trocknen. Man besichtigt inzwischen die Oase Ain Umm Achmed in einer bezaubernden Landschaft mit Canyons, Wasserlauf und über 5000 Jahre alten Nawamis (Steinsetzungen in Rundhausform ) und ist auch bei Beduinen zu Gast. Am nächsten Tag werden dann die Papieröfen gebaut, mit Holz und Keramik gefüllt und in der darauffolgenden Nacht gebrannt. Die Gäste kehren mit ihren Werken und einem Wüstenerlebnis zurück, das seinesgleichen sucht.

Die Kurse von Dörte Michaelis sind etwas für Keramikfreunde und Reisende, die das Besondere, Abgeschiedene abseits der gängigen Touristenpfade suchen.

Die Unterkunft und kompetente Betreuung in Misho´s Camp sowie unterwegs zeichnen sich durch eine herzliche, familiäre Atmosphäre aus. Das Camp direkt am Strand, mit schönen Riffen zum Schnorcheln, hat ca. 15 Hütten, ein Beduinenzelt, zwei große Arischas (Schattenplätze), eine exzellente Küche, Wassertoiletten und Duschen mit Warmwasser, Strom vom Generator und ein harmonisches Team. Den Urlaub runden Ausflügen zu den schönsten Korallenriffen der Umgebung ab, sowie weitere Wanderungen und Fahrten in die sich ständig verwandelnde, an Formen und Farben so reiche Bergwüste. Es werden Paketpreise für Unterkunft, Trips und Vollverpflegung angeboten.

Weitere Namen sind „Ägyptische Fayence“, was fälschlicherweise eine Verwandtschaft suggeriert mit der Fayence, also hellem Scherben, mit weißer Zinnglasur und Bemalung, Kieselkeramik als Oberbegriff oder Quarzkeramik was eher auf den Grundstoff bezogen ist. Im Englischen gibt es die Egyptien paste . Dabei versteht man unter „Ägyptisch Blau“ eigentlich einen gefritteten, gemahlenen Blaufarbkörper.


Dörte Michaelis hat nach einer Töpferlehre 1983 ihr Keramikstudium an der Burg Giebichenstein bei Getraud Möhwald, Prof Wetzel und Heidi Manthey und Lothar Sell und Keramik abgeschlossen. Seit dem arbeitet sie freischaffend in ihrer Werkstatt in Vogelsang bei Wismar. Sie beschäftigt sich sowohl mit Gefäßen und Objekten als auch mit größeren Arbeiten für den öffentlichen Raum, malt und fotografiert.